RAYMOND JARCHOW | ALTE MÄNNER
Albrecht Richard J. – vierundachtzig
Navigation: zurück
Albrecht Richard J.
Das Jahr 1938, der 11. November, die Kristallnacht. Dann kamen die Horden und haben die Wohnung malträtiert, die großen Scheiben eingeschlagen, das so genannte Kakteenfenster, die Möbel demoliert. Es passierte am Morgen. Ich bin in der Schule gewesen. Lieselotte H. hat es in ihren Memoiren beschrieben: »Wir dachten, Herr J. ist verrückt geworden. Er wirft die Möbel zum Fenster raus.« Mein Vater war schon vorher in Schutzhaft genommen, einen Tag vorher, sehr gut organisiert, eine Glanzleistung, absolut verrückt.

Am Abend ging ich dann nachhause zurück, wahrscheinlich mit Tante Hede und habe den ganzen Schaden gesehen.
Das verrückteste ist, das ist ganz wesentlich in meinem Leben, da war ein Handwerker, der geschickt worden war, um die Fenster zu zunageln. Der sagte zu mir, Junge, kannst du mir Zigaretten holen. Es ist eine der wenigen Male in meinem Leben gewesen, wo ich wirklich nein gesagt habe. Das ist ja auch verrückt. Zuerst machen sie alles kaputt, zerbrochene Waschschüssel, Tische und Fensterscheiben. Und der fragt nach Zigaretten vom Automaten. Nein, der geht zu weit.
Mit 12 Jahren realisiert man gar nicht alles, das Geschehen nicht, die Tragweite nicht, man lebt in einer anderen Welt.
 mehr lesen
Navigation: vor